Langfristige Investoren halten ihre Aktien oft über Jahre oder sogar Jahrzehnte. Das berühmte Zitat von Warren Buffett, dass seine bevorzugte Haltedauer „für immer“ ist, fasst diese Philosophie treffend zusammen. Doch selbst der Meister der Langzeitstrategie trennt sich mitunter von Beteiligungen. Warum? Weil es Situationen gibt, in denen es sinnvoll oder notwendig wird, eine Aktie zu verkaufen. Auch für Investoren, die bei Marktschwankungen und Kapitalmarktanomalien sonst nur müde lächeln, können bestimmte Signale darauf hinweisen, dass der Verkauf einer Aktie die richtige Entscheidung ist. Aber wie erkennt man diese Signale und wann ist es Zeit, zu handeln?
Wenn sich die fundamentalen Daten verschlechtern
Eine der wichtigsten Grundlagen jeder Investitionsentscheidung sind die zugrunde liegenden Unternehmensdaten. Investoren, die eine langfristige Strategie verfolgen, verlassen sich vor allem auf Kennzahlen wie Umsatzwachstum, Gewinnmargen und Schuldenquote, um zu beurteilen, wie gesund und zukunftsfähig ein Unternehmen ist. Sollte es hier zu signifikanten Verschlechterungen kommen – etwa weil das Unternehmen dauerhaft Marktanteile verliert oder Managementprobleme hat – könnte es ratsam sein, die Aktie zu verkaufen.
Ein Beispiel hierfür ist PayPal (PYPL), ein einstiger Börsenstar. Über viele Jahre hinweg galt das Unternehmen als stabiles Investment. Doch in den letzten Jahren verschlechterten sich die fundamentalen Daten drastisch. Rückläufige Gewinne, ein massiver Umsatzschwund und die Konkurrenz anderer Zahlungsdienstleister führten dazu, dass viele Investoren ihre Beteiligungen verkauften, bevor der Aktienkurs dramatisch fiel.
Wenn die Zukunftsaussichten nicht mehr überzeugen
Eine Aktie kann über Jahre hinweg ein solides Investment gewesen sein, doch was passiert, wenn die Aussichten für die Zukunft nicht mehr stimmen? Vielleicht stagnieren Innovationen, der Wettbewerb zieht vorbei oder der Markt verändert sich. Wenn ein Unternehmen nicht in der Lage ist, sich an neue Gegebenheiten anzupassen, kann es ratsam sein, die Position zu überdenken.
Nehmen wir das Beispiel von IBM: Das Unternehmen dominierte jahrzehntelang die IT-Branche, doch die zögerliche Anpassung an den Cloud-Bereich und neue Geschäftsmodelle ließ den einstigen Riesen ins Straucheln geraten. Investoren, die frühzeitig bemerken, dass die Zukunftsaussichten nicht mehr rosig sind, können Gewinne sichern oder Verluste minimieren, indem sie rechtzeitig verkaufen.
Wenn die Chartanalyse zum Verkaufen rät
Auch wenn langfristige Investoren sich vor allem auf fundamentale Daten konzentrieren, sollten sie gelegentlich einen Blick auf die Kursentwicklung und Trends werfen. Ein praktisches Tool zur Unterstützung dieser Analyse ist der gleitende Durchschnitt (Moving Average) bzw. der exponentielle gleitende Durchschnitt (EMA), der in vielen Finanztools verwendet wird.
Fällt der Kurs einer Aktie unter den 50-, 100- oder 200-Tages-Durchschnitt, könnte dies auf einen beginnenden Abwärtstrend hinweisen. Wenn der Kurs einer Aktie dauerhaft unter den gleitenden Durchschnitt fällt und auch die Unternehmensnachrichten negativ sind (beispielsweise schlechte Quartalszahlen oder pessimistische Prognosen), ist dies ein deutliches Warnsignal. In solchen Fällen ist es wichtig, die Aktie genau zu beobachten und einen Verkauf in Betracht zu ziehen, um größere Verluste zu vermeiden.
Emotionale Bindung überwinden
Es gibt Aktien, die Investoren seit vielen Jahren halten und mit denen sie emotionale Verbindungen aufgebaut haben. Vielleicht war es die erste Aktie, die sie jemals gekauft haben, oder sie hat über lange Zeit stabile Erträge geliefert. Doch gerade bei langfristigen Investments ist es wichtig, sich nicht von Emotionen leiten zu lassen.
Hier kann ein systematischer Ansatz helfen. Viele Experten raten dazu, klare Verkaufsregeln aufzustellen und sich ein Investment nochmal genauer anzusehen, wenn bestimmte Bedingungen eintreten. Das wäre etwa der Fall, wenn der Kurs einen kritischen Wert unterschreitet oder die fundamentalen Daten sich verschlechtern. Diese disziplinierte Herangehensweise verhindert, dass man eine Aktie zu lange hält und womöglich Verluste erleidet.
Expertenstrategien zum Verkauf von Aktien
Warren Buffett hält Aktien am liebsten „für immer“. Allerdings rät er auch zum Verkauf, wenn sich die Geschäftsaussichten eines Unternehmens signifikant verschlechtern. Ein bekanntes Zitat von Buffett lautet: „Der beste Zeitpunkt, eine Aktie zu verkaufen, ist, wenn du merkst, dass du sie niemals hättest kaufen sollen.“
Benjamin Graham, Warren Buffetts Mentor, legte großen Wert auf die Sicherheitsmarge („margin of safety“). Nach seiner Methode ist es wichtig, Aktien nur zu kaufen, wenn sie weit unter ihrem inneren Wert gehandelt werden. Zum Verkauf wiederum riet Graham, sobald der Kurs diesen inneren Wert erreicht oder übertrifft.
John Maynard Keynes, bekannt für seine wirtschaftspolitischen Theorien, war auch ein erfolgreicher Investor. Trotz seiner langfristigen Orientierung erkannte Keynes die Bedeutung des disziplinierten Risikomanagements. Das Verkaufen von Aktien sah er als wichtigen Teil dieses Prozesses.
Philip Fisher, ein Pionier der Wachstumsinvestition, betonte die Bedeutung des Managements und der Innovationskraft eines Unternehmens. Für ihn war der Verkauf einer Aktie dann gerechtfertigt, wenn sich die Managementqualität signifikant verschlechterte oder das Unternehmen nicht mehr in der Lage war, mit technologischen Veränderungen Schritt zu halten.
Robert Shiller, bekannt für seine Arbeit über irrationale Marktentwicklungen, warnt vor Situationen, in denen die Bewertungen von Aktien extrem überzogen sind. Er entwickelte das Shiller-KGV (CAPE-Ratio), das zeigt, wann Aktienmärkte überbewertet sind.
Ray Dalio von Bridgewater Associates betont die Rolle des wirtschaftlichen Umfelds bei der Entscheidung, Aktien zu kaufen oder zu verkaufen. Dalio analysiert makroökonomische Trends. Er rät zum Verkauf von Aktien, wenn sich diese Bedingungen signifikant verschlechtern – etwa durch Inflation, Zinspolitik oder globale Krisen.
Die Expertenmeinungen zeigen, dass die Entscheidung, eine Aktie zu verkaufen, oft von mehreren Faktoren abhängt. Fundamentale Verschlechterungen im Unternehmen oder im wirtschaftlichen Umfeld sind klare Warnsignale. Anleger sollten regelmäßig die Unternehmensentwicklung prüfen und sowohl ihre langfristigen Ziele als auch die Risiken im Blick behalten.
Langfristig investieren heißt nicht blind halten
Nur weil eine Aktie bisher gut performt hat, heißt das nicht, dass sie dies auch in Zukunft tun wird. Diese Regel gilt auch für langfristige Investoren. Regelmäßige Überprüfungen der Fundamentaldaten, ein Blick auf die Kursentwicklung und klare Verkaufsregeln helfen dabei, das Portfolio auf Kurs zu halten. Selbst Warren Buffett trennt sich von Aktien, wenn er erkennt, dass die Zukunftsaussichten nicht mehr stimmen. Umso mehr sollten auch private Investoren, die vielleicht ihre Altersvorsorge auf Aktieninvestments aufbauen, auf Veränderungen achten und gegebenenfalls verkaufen.