Die letzten Jahre haben die Welt vor beispiellose Herausforderungen gestellt. Die Corona-Pandemie hat die globalen Lieferketten gestört und zu einer tiefen Rezession geführt. Der Krieg in der Ukraine hat die geopolitische Stabilität in Europa erschüttert und zudem die Energie- und Rohstoffpreise in die Höhe getrieben. Und jüngst droht ein weiterer Konflikt im Nahen Osten zwischen Israel und der Hamas, die Spannungen in der Region weiter zu verschärfen. Wenn globale Krisen so gehäuft auftreten, könnte man erwarten, dass die Aktienmärkte unter starkem Druck stehen. Tatsächlich haben sich die Märkte jedoch als bemerkenswert resilient erwiesen.
Zentralbankpolitik als Schlüsselfaktor
Ein entscheidender Faktor für die Stabilität der Aktienmärkte in Krisenzeiten ist die Geldpolitik der Zentralbanken. Während der Corona-Pandemie haben Zentralbanken weltweit die Zinssätze auf historische Tiefstände gesenkt und umfangreiche Anleihekaufprogramme gestartet. Diese Maßnahmen sollten die Wirtschaft stützen, indem sie Liquidität in den Markt pumpen und die Kreditkosten senken.
Das billige Geld hat jedoch auch die Aktienmärkte beflügelt, da Anleger nach renditestarken Alternativen zu Anleihen und Sparguthaben suchen. Nach der akuten Phase der Pandemie begannen die Zentralbanken, ihre geldpolitische Haltung allmählich zu normalisieren. Die Zinssätze wurden wieder angehoben, und die Anleihekäufe wurden reduziert. Auch in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten, wie dem Ukraine-Krieg oder den Spannungen im Nahen Osten, ist die Geldpolitik der Zentralbanken ein stabilisierender Faktor.
Staatliche Unterstützung und fiskalpolitische Maßnahmen
Nicht nur die Zentralbanken, sondern auch Regierungen haben während der Krisen massive Unterstützungspakete geschnürt. Diese fiskalpolitischen Maßnahmen, wie Konjunkturprogramme und direkte Hilfszahlungen, haben die Wirtschaft stabilisiert und das Vertrauen der Anleger gestärkt. Durch die Absicherung von Arbeitsplätzen und die Unterstützung von Unternehmen wurden massive wirtschaftliche Verwerfungen verhindert, was sich positiv auf die Aktienmärkte ausgewirkt hat.
Erwartungen der Marktteilnehmer: Ein Blick nach vorn
Ein weiterer Grund für die Resilienz der Aktienmärkte liegt in den Erwartungen der Marktteilnehmer. Anleger bewerten Unternehmen nicht nur auf Basis ihrer aktuellen Gewinne, sondern auch im Hinblick auf zukünftige Wachstumschancen. Selbst inmitten der Pandemie oder während geopolitischer Spannungen setzen viele auf eine wirtschaftliche Erholung oder gar auf die langfristigen Chancen, die sich aus neuen Technologien und Marktveränderungen ergeben könnten. Diese optimistischen Erwartungen tragen dazu bei, dass die Märkte selbst in Krisenzeiten relativ stabil bleiben.
Globalisierung und die Diversifikation von Unternehmensgewinnen
Viele börsennotierte Unternehmen agieren global und sind nicht auf einen einzigen Markt angewiesen. Dies ermöglicht es ihnen, Verluste in einer Region durch Gewinne in einer anderen auszugleichen. So konnten etwa während der Pandemie zahlreiche multinationale Konzerne ihre Gewinne trotz regionaler Lockdowns stabil halten oder sogar steigern. Ähnlich verhält es sich mit den Auswirkungen geopolitischer Konflikte: Während der Krieg in der Ukraine in Europa zu wirtschaftlicher Unsicherheit führte, profitierten Energieunternehmen andernorts von den steigenden Preisen. Diese globale Diversifikation trägt zur Stabilität der Aktienmärkte bei.
Technologie und Innovation: Treiber des Wachstums
Ein wesentlicher Treiber der Aktienmärkte in den letzten Jahren war die Technologiebranche. Die Pandemie hat die Digitalisierung beschleunigt, was Unternehmen aus dem Technologie- und E-Commerce-Sektor enorme Gewinne beschert hat. Diese Entwicklungen haben die Märkte stabilisiert und manche Einzelwerte und Indizes sogar neue in neue Höhen katapultiert. Selbst in unsicheren Zeiten bieten diese Unternehmen aufgrund ihrer Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit eine attraktive Investitionsmöglichkeit.
Anlegerpsychologie und die Angst, etwas zu verpassen
Ein oft übersehener, aber bedeutender Faktor ist die Psychologie der Anleger. Wenn globale Krisen wie die Corona-Pandemie zu niedrigen Zinsen und hoher Unsicherheit führen, suchen viele nach Anlagemöglichkeiten, die höhere Renditen versprechen. Aktien sind dabei oft die erste Wahl. Die Angst, durch das Verpassen einer Markterholung (FOMO – „Fear of Missing Out“) Gewinne zu verlieren, treibt viele Anleger zusätzlich in den Markt. Diese psychologische Dynamik trägt dazu bei, dass die Märkte auch in Krisenzeiten eine gewisse Stabilität behalten.
Der langfristige Wachstumstrend der Aktienmärkte
Trotz kurzfristiger Volatilität und globaler Krisen zeigt sich langfristig ein stetiger Wachstumstrend der Aktienmärkte. Dieser Aufwärtstrend hat in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass sich die Märkte von Krisen erholen können. Dieses Vertrauen in die langfristige Stärke des Marktes gibt Anlegern die Sicherheit, auch bei größeren Marktschwankungen investiert zu bleiben, was zur anhaltenden Resilienz der Märkte beiträgt.
Eine Kombination aus Faktoren stützt die Märkte
Die Resilienz der Aktienmärkte angesichts der Corona-Pandemie, des Kriegs in der Ukraine und der Bedrohung durch einen weiteren Krieg im Nahen Osten ist das Ergebnis einer komplexen Kombination aus expansiver Geldpolitik, globaler Diversifikation, technologischer Innovation und der psychologischen Dynamik der Märkte. Während globale Krisen zuletzt mit beispielloser Häufigkeit auftreten, bleibt der Aktienmarkt aufgrund dieser Faktoren widerstandsfähig. Für Anleger bedeutet dies, dass trotz der Unsicherheit langfristig gesehen immer noch Chancen bestehen, von den Märkten zu profitieren.
Weiterführende Literatur
Sabri Boubaker, Duc Khuong Nguyen: Financial Transformations Beyond The Covid-19 Health Crisis. World Scientific, 2022, ISBN 9781800610798 (englisch; Vorschau auf Google Books)