Die Jahre 2020 und 2021 waren geprägt von einer der dramatischsten wirtschaftspolitischen Maßnahmen der jüngeren Geschichte: der massiven geldpolitischen Expansion durch Zentralbanken weltweit. Angesichts der COVID-19-Pandemie, die Volkswirtschaften auf der ganzen Welt in eine Krise stürzte, griffen Regierungen und Zentralbanken auf enorme fiskalische und monetäre Stimuli zurück. Ein zentrales Element dieser Maßnahmen war es, in großen Mengen „billiges Geld“ zur Verfügung zu stellen. Konkret waren es extrem niedrige Zinssätze und umfangreiche Liquiditätsspritzen, die wie mit der Gießkanne verteilt wurden. Doch war dieses billige Geld gut oder schlecht für die Börse? Die Antwort ist komplex und verlangt eine differenzierte Betrachtung.
Positive Effekte des billigen Geldes auf die Börse
Ein unmittelbarer Effekt der expansiven Geldpolitik war die Flutung der Märkte mit Liquidität. Niedrige Zinssätze und Anleihekaufprogramme zwangen Investoren dazu, in risikoreichere Anlagen zu wechseln, um noch Rendite zu erzielen. Dies führte zu einer Erhöhung der Aktienbewertungen, da die Anleger verstärkt in Aktien und andere Vermögenswerte investierten, die höhere Renditen versprachen. Die umfangreiche Liquidität sorgte zudem für einen Aufschwung bei den Unternehmensgewinnen. Viele Unternehmen konnten von günstigen Finanzierungsbedingungen profitieren, um sich zu refinanzieren, Investitionen zu tätigen und Dividenden auszuschütten.
Ein weiterer positiver Effekt war die psychologische Unterstützung der Märkte. Die Botschaft der Zentralbanken, dass sie alles tun würden, um die Wirtschaft zu stützen, gab den Marktteilnehmern Vertrauen und führte zu einer Stabilisierung der Märkte, die in den ersten Monaten der Pandemie heftigen Schwankungen unterworfen waren. Diese Erwartung der ständigen Unterstützung, das sogenannte „Fed-Put“, sorgte dafür, dass die Risikobereitschaft der Anleger hoch blieb und die Märkte weiter stiegen.
Die Schattenseiten: Inflation und Marktverzerrung
Während das billige Geld kurzfristig die Resilienz der Börsen beflügelte, wurden langfristige Risiken deutlich, insbesondere die Gefahr einer übermäßigen Inflation. Tatsächlich erlebten viele Länder ab 2021 eine deutliche Zunahme der Inflation, was teilweise auf die expansive Geldpolitik zurückzuführen war. Steigende Rohstoffpreise, Engpässe in der Lieferkette und die enorme Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen führten zu Preissteigerungen. Hohe Inflationserwartungen können jedoch die Aktienmärkte destabilisieren, da sie zu höheren Zinsen führen könnten, was die Unternehmensgewinne belastet und die Aktienbewertungen sinken lässt.
Ein weiterer Nachteil von billigem Geld ist die Verzerrung der natürlichen Marktmechanismen. Durch die künstlich niedrig gehaltenen Zinssätze und die massive Liquiditätsversorgung konnten sich auch finanziell schwache Unternehmen refinanzieren, die unter normalen Bedingungen möglicherweise Insolvenz hätten anmelden müssen. Dies führte zu einer „Zombifizierung“ von Teilen der Wirtschaft, in denen unrentable Unternehmen am Leben gehalten wurden. Langfristig kann dies die Produktivität und das Wachstumspotenzial einer Wirtschaft untergraben.
Schocktherapie: das Ende der lockeren Geldpolitik
Die drastische Erhöhung der Zinsen kurz nach der akuten Phase der Pandemie war eine Reaktion auf die außergewöhnlichen wirtschaftlichen Bedingungen, die durch die lockere Geldpolitik ausgelöst worden waren. Die extrem niedrigen Zinsen während der Pandemie waren eine Notmaßnahme. Um eine Überhitzung der Wirtschaft zu vermeiden und die Finanzstabilität zu gewährleisten, mussten die Zentralbanken die Geldpolitik wieder normalisieren. Die niedrigen Zinsen führten auch zu einem starken Anstieg der Preise für Vermögenswerte wie Aktien und Immobilien. Dies erhöhte das Risiko von Vermögensblasen. Durch eine frühzeitige Normalisierung der Geldpolitik wollten die Zentralbanken dieses Risiko mindern.
Billiges Geld: eine Gratwanderung
Billiges Geld hat zweifellos kurzfristig positive Auswirkungen auf die Börse gehabt. Die massive Liquidität und die niedrigen Zinsen halfen, die Märkte zu stabilisieren. Allerdings gehen diese kurzfristigen Vorteile mit erheblichen langfristigen Risiken einher. Die Gefahr einer anhaltenden Inflation, die Verzerrung der Marktmechanismen und die potenzielle Blasenbildung könnten den Märkten mittelfristig erheblich schaden.
Für Anleger und Politiker gleichermaßen ist es eine anhaltende Gratwanderung, den Ausgleich zwischen Unterstützung der Wirtschaft und der Vermeidung langfristiger Verwerfungen zu meistern. Die drastischen Zinserhöhungen nach der Pandemie waren eine notwendige Maßnahme, um die Wirtschaft zu stabilisieren und die Inflation einzudämmen. Allerdings waren und sind die Auswirkungen dieser Politik komplex und vielfältig. Die Kunst wird darin bestehen, die Normalisierung der Geldpolitik so zu gestalten, dass die Märkte stabil bleiben und das Wirtschaftswachstum nachhaltig gefördert wird, ohne die negativen Nebenwirkungen zu verstärken.
Literatur
- Charlotte Steinborn: Geld- und Fiskalpolitik gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie. Begriffserklärungen und Maßnahmen. Studienarbeit. GRIN-Verlag, 2021, ISBN 9783346334152 (Vorschau auf Google Books).