Die beiden bekanntesten Börsenindizes Russlands, der MOEX Russia Index und der RTS Index, sind für viele Anleger ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Entwicklungen des Landes. Beide Indizes repräsentieren die Performance der größten börsennotierten Unternehmen Russlands, wobei der MOEX in Rubel und der RTS in US-Dollar berechnet wird. Während der MOEX besonders für inländische Investoren von Bedeutung ist, bietet der RTS internationalen Investoren einen Blick auf die Entwicklung der russischen Wirtschaft unter Berücksichtigung von Wechselkursbewegungen.
Geschichtlicher Rückblick
Der MOEX Russia Index entstand im Jahr 2011 durch die Fusion der beiden größten russischen Börsen, der MICEX und der RTS, zur Börse Moskau (Moscow Exchange). Diese Fusion zielte darauf ab, die Handelsaktivität zu steigern und das Vertrauen sowohl nationaler als auch internationaler Investoren zu erhöhen. Vor der Fusion war der RTS Index seit den 1990er Jahren als der erste russische Index bekannt, der sich an internationalen Standards orientierte. Der MOEX Russia Index förderte in den folgenden Jahren das Wachstum des russischen Kapitalmarkts, insbesondere im Rohstoffsektor, der traditionell die russische Wirtschaft dominiert.
Ukraine-Krieg und westliche Sanktionen
Die jüngste Vergangenheit beider Indizes ist untrennbar mit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 verbunden. Der Angriff markierte eine dramatische Zäsur für den russischen Finanzmarkt, da umgehend harte westliche Sanktionen folgten. Die Reaktion auf die Sanktionen spiegelte sich unmittelbar im Wert der Indizes wider. Am 24. Februar 2022, dem Tag des Einmarsches, verloren beide Indizes bis zu 45 % ihres Werts – ein historischer Absturz. Der Handel wurde vorübergehend ausgesetzt, und das Vertrauen der internationalen Investoren schwand rapide.
Der MOEX Russia Index konnte sich nach Wiederaufnahme des Handels im März 2022 zwar leicht stabilisieren, jedoch blieb die Situation aufgrund der Unsicherheiten über die weiteren Sanktionen und geopolitischen Risiken angespannt. Der RTS Index litt zusätzlich unter der massiven Abwertung des Rubels gegenüber dem US-Dollar, was den Wert in Dollar weiter drückte. Die Sanktionen zielten insbesondere auf den Finanzsektor, Rohstoffunternehmen und Hightech-Güter ab, was die Geschäftsentwicklung der betroffenen Firmen erheblich erschwerte.
Entwicklung der größten Unternehmen
Ein genauerer Blick auf die bedeutendsten Unternehmen im MOEX und im RTS zeigt die tiefgreifenden Auswirkungen der Sanktionen. Gazprom, das russische Energieunternehmen und eine der stärksten Positionen in beiden Indizes, sah sich mit drastischen Einschränkungen auf dem europäischen Markt konfrontiert. Die europäische Abhängigkeit von russischem Gas wurde durch alternative Bezugsquellen und Einsparmaßnahmen gesenkt, was zu erheblichen Einnahmeeinbußen führte. Trotz gestiegener Energiepreise, die zunächst für hohe Gewinne sorgten, leidet das Unternehmen mittlerweile unter einem deutlich kleineren Abnehmerkreis.
Die größte russische Bank, die Sberbank, geriet ebenfalls unter Druck, da zahlreiche westliche Länder russische Banken aus dem SWIFT-System ausschlossen. Diese Maßnahme erschwerte den internationalen Zahlungsverkehr enorm und veranlasste viele Anleger, ihr Kapital aus Russland abzuziehen. Inländisch stützte die russische Zentralbank die Finanzinstitute mit Hilfsmaßnahmen, jedoch bleibt die Frage der langfristigen Stabilität offen.
Rosneft, einer der führenden russischen Ölförderer, musste einen Großteil seiner internationalen Verbindungen kappen, da große westliche Unternehmen ihre Zusammenarbeit einstellten. Die Folge war ein erhöhter Fokus auf den asiatischen Markt, insbesondere China und Indien, um das verlorene europäische Geschäft auszugleichen. Trotz der neuen Absatzmärkte sind die Handelsbeziehungen weniger profitabel und mit geopolitischen Risiken behaftet.
Ausblick und aktuelle Herausforderungen
Der russische Aktienmarkt hat nach dem Einmarsch in die Ukraine stark an Bedeutung verloren, vor allem aus internationaler Sicht. Die geringe Liquidität, der eingeschränkte Zugang für ausländische Investoren und die Unsicherheit über weitere Sanktionen stellen große Herausforderungen dar. Investoren im MOEX und RTS Index müssen sich auf starke Schwankungen einstellen, da der Markt weiterhin von politischen Entscheidungen beeinflusst wird.
Es zeigt sich jedoch, dass der russische Aktienmarkt zumindest in begrenztem Umfang widerstandsfähig ist. Die Zentralbank Russlands hat Maßnahmen getroffen, um Kapitalflüssen entgegenzuwirken, und der Staat fördert verstärkt den Inlandsverbrauch sowie Investitionen in strategische Sektoren. Trotz dieser Maßnahmen bleibt die mittelfristige Perspektive für den MOEX und den RTS unsicher, da die Abhängigkeit von internationalen Geldströmen und die wirtschaftliche Isolation des Landes eine nachhaltige Erholung erschweren.