Die Moskauer Börse (MOEX) hat seit ihrer Gründung im Jahr 2011 eine wichtige Rolle im russischen Finanzsystem gespielt. Doch wie ihre Heimat Russland selbst, ist sie stark von geopolitischen Entwicklungen geprägt. Aktuell steht sie unter enormem Druck – nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Spannungen zwischen Russland und dem Westen. Während das Land nach alternativen Kapitalquellen sucht, wird deutlich, dass der Verlust westlicher Investitionen schwer wiegt und die erhofften neuen Partnerschaften nicht den gewünschten Ausgleich schaffen.
Ein Blick zurück: Wachstum und Öffnung
In den Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und besonders in den 2000er Jahren erlebte die russische Wirtschaft eine Phase des Wachstums. Internationale Investoren, vor allem aus Europa und den USA, sahen großes Potenzial im russischen Markt. In erster Linie durch seine Rohstoffexporte generierte Russland hohe Einnahmen, was die Wirtschaft stärkte und internationale Investitionen anzog. Die Moskauer Börse konnte sich als Knotenpunkt für den Handel mit Aktien und Anleihen etablieren und wurde zunehmend in das globale Finanzsystem integriert. Bis zum russischen Überfall auf die Ukraine war sie auch Mitglied in der World Federation of Exchanges (WFE).
Die Epoche der Öffnung und des internationalen Wachstums ging 2014 zu Ende, als die Annexion der Krim durch Russland zu ersten Sanktionen des Westens führte. Der Kapitalzufluss aus westlichen Ländern begann zu versiegen und viele Investoren zogen sich vom russischen Markt zurück. Der Rubel fiel, und die Moskauer Börse musste sich zunehmend auf inländische Akteure und auf Kapitalquellen aus anderen Schwellenländern konzentrieren.
Die Eskalation der Spannungen im Jahr 2022 durch den völkerrechtswidrigen Krieg in der Ukraine setzte der Börse noch stärker zu. Internationale Handelsbeziehungen wurden weiter eingeschränkt, und viele westliche Investoren distanzierten sich endgültig vom russischen Markt. Die Moskauer Börse geriet zunehmend in die Rolle eines in sich geschlossenen Systems, das sich vor allem auf heimische Akteure stützt. Der Traum von einer internationalen Börse, die mit anderen Finanzplätzen konkurrieren kann, ist vorerst in weite Ferne gerückt.
Hoffnung BRICS: Ein unzureichender Ersatz
Mit dem Verlust des westlichen Kapitals hoffte Russland, verstärkt auf Partnerschaften mit anderen aufstrebenden Märkten setzen zu können. Die BRICS-Staaten Brasilien, Indien, China und Südafrika rückten in den Fokus als potenzielle Kapitalquellen. In der Theorie schien dies eine vielversprechende Strategie zu sein, zumal diese Länder selbst über wachsende Kapitalmärkte verfügen.
In der Praxis jedoch hat sich gezeigt, dass der Kapitalzufluss aus diesen Ländern nicht ausreicht, um den Verlust westlicher Investitionen zu kompensieren. Zwar sind einige BRICS-Länder wie China und Indien weiterhin wichtige Handelspartner Russlands, doch die Finanzströme in die russische Börse blieben begrenzt. Die wirtschaftlichen Interessen der BRICS-Staaten sind vielfältig und oft stärker an eigenen regionalen Projekten und Entwicklungen orientiert, als an einer tiefgehenden finanziellen Zusammenarbeit mit Russland. Zudem sind auch viele dieser Länder vorsichtig, sich zu stark an russische Märkte zu binden, um nicht unter Sekundärsanktionen des Westens zu geraten.
Die Gegenwart: Eine isolierte Börse
Heute steht die Moskauer Börse in einem zunehmend isolierten Umfeld. Der Handel ist stark auf russische Akteure und den Binnenmarkt beschränkt. Die fehlende Liquidität und das geringere internationale Vertrauen machen es schwer für Unternehmen, über die Börse ausreichend Kapital zu beschaffen. Auch die Versuche der russischen Regierung, Investitionen aus China und anderen BRICS-Staaten zu fördern, haben bisher nur bedingt Erfolg gehabt. Der erhoffte Kapitalzufluss blieb aus.
Dies hat zu einer paradoxen Situation geführt: Während Russland weiterhin versucht, internationale Investoren anzulocken, ist die Realität eine der wirtschaftlichen Abschottung. Der Rubel bleibt schwach und die Börse leidet unter geringer Handelsaktivität. Die Rolle als internationale Drehscheibe, die Russland einst für seine Börse angestrebt hatte, ist in weite Ferne gerückt.
Leitindex: MOEX Russia
Der Leitindex der Moskauer Börse ist der MOEX Russia Index (oft einfach als MOEX Index bezeichnet). Er bildet die Wertentwicklung der größten und liquidesten an der Börse notierten russischen Unternehmen ab. Der MOEX Russia Index wird in Rubel berechnet. Es gibt aber auch eine Variante in US-Dollar, den RTS Index.
Seit der Eskalation des Ukraine-Krieges und der Verschärfung der Sanktionen im Jahr 2022 ist der Index erheblich gefallen. Der Rückzug westlicher Investoren und die stark eingeschränkte Liquidität an der Moskauer Börse haben das Vertrauen in den Markt geschwächt. Der Index konnte sich seither nur mühsam erholen und zeigt immer noch hohe Volatilität.
Hinzu kommen die internen wirtschaftlichen Probleme Russlands, wie eine schwache Währung, steigende Inflation und die Auswirkungen der Isolation auf den Finanzsektor. Trotz Versuchen, den Binnenmarkt zu stärken, bleibt der MOEX Russia Index unter Druck und erholt sich nur langsam von den massiven Einbrüchen der letzten Jahre.
Zukunftsaussichten: Ein unsicherer Weg
Die Zukunft der Moskauer Börse ist ungewiss. Die Abhängigkeit von heimischen Investoren und die weiterhin unsichere geopolitische Lage lassen wenig Raum für Optimismus. Ohne westliche Investitionen fehlt es dem Markt nicht nur an Kapital, sondern auch an Vertrauen und Innovation. Der erhoffte Zufluss aus den BRICS-Staaten kann, zumindest bislang, den Verlust der westlichen Kapitalströme nicht ausgleichen.
Ob Russland und die MOEX in Zukunft neue Wege finden, um diese Kluft zu überwinden, bleibt offen. Es wird entscheidend sein, ob das Land es schafft, alternative Finanzpartnerschaften zu etablieren, die nicht nur kurzfristig, sondern auch nachhaltig wirken. Die Abhängigkeit von einem geschlossenen System birgt jedoch Risiken, die langfristig das Wachstum und die Stabilität des russischen Finanzmarkts beeinträchtigen könnten.
Zusammengefasst bleibt die Moskauer Börse trotz ihrer Anpassungsversuche in einer schwierigen Lage. Die geopolitischen Herausforderungen und der Verlust westlicher Investitionen setzen sie stark unter Druck, und der erhoffte Ersatz durch BRICS-Kapital bleibt aus. Ein Weg zurück zur alten Größe scheint angesichts der aktuellen Situation unwahrscheinlich – zumindest auf absehbare Zeit.