Die Finanzmarkttheorie fasst eine Reihe von Modellen zusammen, die erklären wollen, wie die Finanzmärkte funktionieren. Diese Märkte umfassen unter anderem den Geld-, Devisen-, Kredit- und Kapitalmarkt, einschließlich der Börsen. Theorien wie die Kapitalmarkt- und Kreditmarkttheorie widmen sich der Untersuchung dieser Marktsegmente, ihrer Teilnehmer, ihrer Entwicklung und ihrer Rolle im Markt. Die klassischen Theorien setzen voraus, dass die große Masse der Anleger in der Lage ist, die Marktdaten richtig einzuordnen und auf dieser Grundlage rationale Entscheidungen trifft. Neue Ansätze berücksichtigen aber auch die schwerer fassbaren Faktoren der Irrationalität.
Louis Bachelier: Der Vater der Finanzmarkttheorie
Als Startpunkt der modernen Finanzmarkttheorie wird oft Louis Bacheliers Dissertation „Théorie de la Spéculation“ aus dem Jahr 1900 genannt. Bachelier betrachtete die Vorgänge an Finanzmärkten als einen funktionalen, mehr oder weniger vorhersehbaren Zusammenhang von Ursache und Wirkung. Sein Ansatz bezieht zudem die Bedeutung von Wahrscheinlichkeiten in die Betrachtung von Aktienkursbewegungen ein.
Bacheliers Dissertation, vorgelegt an der Sorbonne in Paris, gilt als eine der ersten akademischen Arbeiten, die sich mit der mathematischen Modellierung der Preisbewegungen auf den Finanzmärkten beschäftigte. In seiner Arbeit führte er ein Konzept ein, das man heute als „Random-Walk“-Hypothese bezeichnen würde, um die zufällige Bewegung von Aktienpreisen zu beschreiben. Er argumentierte, dass die Preisänderungen von Wertpapieren unabhängig und zufällig verteilt sind, was eine frühe Formulierung der Effizienzmarkthypothese darstellt.
Für viele Jahrzehnte blieb Bacheliers Arbeit weitgehend unbeachtet. Erst in den 1950er- und 1960er-Jahren wurde sie unter anderem durch Paul Samuelson und Benoit Mandelbrot wiederentdeckt. Diese spätere Anerkennung von Bacheliers Beitrag zur Finanztheorie und seine Vorwegnahme vieler Konzepte, die im 20. Jahrhundert zentral für die Finanzwirtschaft wurden, haben ihm den Ruf als „Vater der Finanzmathematik“ eingebracht.
Traditionelle und evolutionäre Ansätze
Die Finanzmarkttheorie lässt sich in traditionelle und evolutionäre Ansätze unterteilen.
- Traditionelle Theorien, wie Behavioral Finance, das Capital Asset Pricing Model und die Markteffizienzhypothese, basieren auf der Annahme des Homo oeconomicus, eines rational handelnden Marktteilnehmers, der stets nach Gewinn- oder Nutzenmaximierung strebt. Diese Theorien beziehen sich meist auf einen idealen, vollkommenen Kapitalmarkt.
- Die evolutionäre Finanzmarkttheorie versucht, die Kluft zwischen traditionellen Finanzmarkttheorien und den psychologischen Aspekten der Behavioral Finance zu überbrücken. Ihr Hauptziel ist es, die Widersprüche zur Annahme des rational handelnden Homo oeconomicus aufzuzeigen und irrationales Anlegerverhalten wie Herdenverhalten zu erklären, indem sie Erkenntnisse aus anderen Forschungsfeldern einbezieht.
Zu den neueren Entwicklungen gehört die Finanzmarkttheorie des Wechselkurses. Diese analysiert die Wechselkursbewegungen auf Basis internationaler Kapitalflüsse und berücksichtige auch Faktoren wie Zinsen und Risikoneigungen. Ein weiterer Bereich ist die Mikrostruktur der Finanzmärkte, die das Verhalten von Marktteilnehmern an Börsen erforscht, um die Preisbildung und den Einfluss der Börsenorganisation auf das Marktgeschehen zu verstehen.
Die verschiedenen Finanzmarkttheorien haben letztlich das Ziel, Marktteilnehmer bei ihren Anlageentscheidungen zu unterstützen. Sie sollen dabei helfen, Finanz-, Kurs- oder Marktrisiken besser einzuschätzen. Das Verhalten der Marktteilnehmer führt entweder zu einem Marktgleichgewicht oder zu Marktstörungen.
Externe Links
Gabler Wirtschaftslexikon: Finanzmarkttheoretische Ansätze von Prof. Dr. Hans-Werner Wohltmann, Unversität Kiel, Institut für Volkswirtschaftslehre.